9.10.2023

Abschied vom Social Media Hustle

Zum Thema „Autorinnenleben“

Irgendwann müssen wir einen gesunden Umgang mit Social Media finden. Jede*r von uns. Und ich beginne damit, während alle X, formerly known as Twitter, verlassen, weil das inzwischen “nur noch ein rechtsextrem-faschistisch verseuchter Müllhaufen ist”. Ist es nicht, aber klar, vieles läuft da nicht gut, weil der Algorithmus das verstärkt, was uns aufregt, und deshalb wird mit jedem Aufreger unsere Wut größer, und mit jedem Funken Wut wächst auch das sinnlose Doomscrolling, und wenn wir doomscrollen, gewinnt der Algorithmus, füttert uns weiter and so on.

Zeit fürs Cyclebraking also. Ich durchbreche den Kreislauf, logge mich auf allen Plattformen und allen Geräten aus, ziehe mich in meine winzige Ecke des Internets zurück und richte mich hier ein. Ich tue das, während wir als Familie für vier Tage in Berlin sind, was sich auch logisch anfühlt. Berlin ist nämlich so ein Ort, den ich seit 25 Jahren bereise, der mich immer wieder total aktiviert und dann wieder komplett erschöpft, Berlin gibt alles und nimmt alles, was es von mir kriegen kann.

Ich weiß noch nicht, wie ich künftig mit meinen Social Media-Kanälen umgehen soll. Ich muss ja immer auch irgendwo ein bisschen Werbung für das machen, was ich schreibe, wenn ich lese, ich wurde ja schon vor 14 Jahren oder so gefragt, ob ich denn bei Instagram aktiv sei, da müsse eine Autorin ja aktiv sein. Mein Aktivsein kam nie über ein “hier, das bin ich übrigens privat, ach so, ja, ich schreibe Bücher, aber ich kann sie nicht in die Kamera halten, sorry” hinaus, weshalb es weit unter 1.000 Follows auf allen Plattformen blieb.

Das genügt nicht, um Verkaufszahlen zu beeinflussen, und schon gar nicht, um mit einem geschickt platzierten Reel die SPIEGEL-Bestsellerliste anzugreifen, die nach wie vor das Maß aller Dinge ist. Man könnte also sagen: Social Media funktioniert für mich als Autorin nicht.

Und dann kann ich’s eigentlich auch lassen. Denn Privatperson ist eine im Netz nicht, wenn eine es streng betrachtet. Wir stellen uns immer nur als die Version dar, die wir gern wären, wir suchen uns eine Bubble, in der wir uns einrichten können, in der wir unsere Meinungen wie in einem Spiegeluniversum bestätigt sehen, bis wir überzeugt sind, unsere Meinung sei die einzig wahre. So einfach ist es nicht. Die Polarisierung, die da gerade stattfindet, die befremdet mich sehr. Und sie hilft keiner.

Darum ziehe ich mich zurück und warte ab, wohin es führt. Zurück nach Bluesky? Zurück zu X/Twitter? Mehr Instagram? Doch Facebook? Nirgendwo? (Tiktok fällt für mich raus …)

Oder bleibe ich hier und richte mich in dieser Echokammer ein? Denn das wird es werden. Niemand wird dieses Eckchen vom Internet finden, wenn ich es nicht auf den Plattformen bewerbe. Könnte ich ja machen. Würde nichts daran ändern, dass keine Diskussion stattfindet. Aber vielleicht kann ich ein paar Denkanstöße liefern. Vielleicht lest ihr meine Bücher. Vielleicht, vielleicht.

Dann versuchen wir’s mal so.

Schon 2 Kommentare

  1. Liebe Julie,

    ich kann Dich so gut verstehen, denn mich treiben gerade die gleichen Gedanken um .
    Das Dumme ist nur: Nicht nur als Autor*in, sondern auch als Blogger*in braucht man einfach eine gewisse Reichweite, die man allein durch die eigene Webseite heutzutage nicht mehr erreichen kann, es braucht noch Social Media dazu (ist es eigentlich ein Zufall, dass Social Media mit SM abgekürzt wird, was ja auch für eine gewisse Form der Selbstkasteiung steht? 😉 ).
    Bin gespannt, wie es Dir damit ergeht.

    Liebe Grüße
    Susanne Edelmann

    • Liebe Susanne, absolut! Dass wir alle so abhängig sind, das ist ein Problem – aber eines, das alle bewegen sollte, Verlage, Autor*innen und Blogger*innen, Leser*innen, es geht jede*n etwas an. Eine Lösung habe ich nicht außer dass ich eben bewusst entscheide, den Tanz um den Algorithmus nicht noch mit meinem eigenen Content zu befeuern, der ohnehin zu unauffällig in der Masse untergeht. Es wird keinen Unterschied für mich machen, wage ich zu behaupten. Für Blogger*innen ist das sicher noch mal komplexer.

      Liebe Grüße, Julie

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